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HIV-Leitfaden - HIV-assoziierte Neoplasien - Kaposi-Sarkom (KS) - Kaposi-Sarkom im Detail
   
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von Dr. M. Hartmann und
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Das Kaposi Sarkom

Synonym: Sarcoma idiopathicum multiplex hemorrhagicum

Franz Mosthaf, Stefan Esser

Einleitung

1872 beschrieb Moriz Kaposi, ein ungarischer Hautarzt, fünf Patienten mit einem aggressiven idiopathischen pigmentierten Sarkom der Haut ('sarcoma idiopathicum multiplex hemorrhagicum'). Einer dieser Patienten starb 15 Monate nach der Erstdiagnose der Hautveränderungen an einer gastrointestinalen Blutung und die Biopsie zeigte viszerale Läsionen der Lunge und des Gastrointestinaltraktes.

Mittlerweile wurden vier verschiedene epidemologisch-klinische Varianten beschrieben, welche in spezifischen Populationen vorkommen oder unterschiedliche Manifestation bzw. Progressionsraten aufweisen. Man geht davon aus,  daß diese Varianten unterschiedliche Verlaufsformen auf der Basis des selben Pathomechanismus repräsentieren.

Pathogenese - die Rolle des humanen Herpesvirus (HHV-8) bzw. dem Kaposi-Sarkom-assoziiertem Herpesvirus

Die Pathogenese des KS wird zunehmend besser verstanden, ist jedoch nicht abschließend geklärt.

Mit molekularbiologischen Methoden ('represental difference analysis') und PCR-unterstützter In-situ-Hybridisierung gelang in Endothelzellen und Spindelzellen sowohl in AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkomen, als auch in Kaposi-Sarkomen von HIV-negativen Patienten in > 95 % der Fälle der Nachweis von DNS Sequenzen eines als KS-assoziiertes (KSHV) bzw. HHV-8 bezeichneten humanen Herpesvirus, weshalb HHV-8 eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von KS zugewiesen wurde. HHV-8 findet sich nicht nur regelmäßig im KS, sondern auch in bestimmten B-Zell-Lymphomen ('body cavity-based large B-cell lymphoma') und im multizentrischen Morbus Castleman, jedoch nicht in anderen vaskulären Tumoren. Zudem wurden im peripheren Blut von HIV-positiven KS-Patienten sowohl mit HHV-8 infizierte Leukozyten als auch KS-Zellen gefunden. In manchen Regionen, in Italien oder Zentralafrika, ist HHV-8 auch bei bis zu 50 % der Normalbevölkerung nachweisbar.

Für die Entstehung von Kaposi-Sarkomen ist HHV-8 notwendige aber nicht hinreichende Voraussetzung. Kofaktoren sind z.B. das HIV tat-Gen und Zytokine (Interferon-gamma, vascular endothelial cell growth factor (VEGF)). Im Genom von HHV-8 konnten Gene mit onkogenen Eigenschaften (c-myc, bcl-2) (transformierend, chemoattraktiv, wachstumsfördernd, anti-apoptotisch) und andere, die die Bindung, das Zellwachstum, die Inflammation und die Angiogenese beeinflussen, identifiziert werden. Die Expression dieser Genprodukte in KS-Spindelzellen in vivo trägt entscheidend zur KS-Entwicklung bei.

 

Epidemiologisch-klinische Varianten

1. Das klassische Kaposi-Sarkom

Das klassische Kaposi-Sarkom betrifft in erster Linie ältere Männer (Männer-zu-Frauen-Verhältnis ca. 15:1) aus dem osteuropäisch-mediterranen Bereich oder jüdischer Herkunft mit einem Altersgipfel im 7. Lebensjahrzehnt.

Hierbei finden sich vor allem im Bereich der unteren Extremitäten oft multiple, rötlich-bläulich-bräunliche Plaques und Knötchen. Der Verlauf ist insgesamt wenig progredient über Jahre oder Jahrzehnte und zeigt nur selten Manifestationen in anderen Organen. Manchmal finden sich Lymphödeme oder eine Hyperkeratose.

Histologisch zeigen sich Infiltrate aus spindelzelligen Endothelien, schlitzförmige neue dünnwandige z. T. unvollständige Blutgefäße mit Erythrozytenextravasaten und Hämosiderinablagerungen. Weiterhin ein lymphozytäres Entzündungsinfiltrat.

2. Das endemische Kaposi-Sarkom

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts wurde zunehmend über das Auftreten von Kaposi-Sarkomen in Subsahara-Afrika berichtet. 1971 betrug der Anteil des Kaposi-Sarkoms an allen Krebserkrankungen in Uganda 3 bis 9 %.

1983 wurde über einen dramatischen Inzidenzanstieg des Kaposi-Sarkoms in Zambia berichtet. Nachdem das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) zuverlässig diagnostiziert werden konnte, war es möglich, das HIV-negative endemische Kaposi-Sarkom HIV-positiven epidemischen Kaposi-Sarkom zu unterscheiden. Beschrieben werden beim endemischen afrikanischen Kaposi-Sarkom vier klinische Verlaufsformen:

A: Eine relativ gutartige mit nodulären Hautveränderungen ähnlich denen beim klassischen Kaposi-Sarkom. Hiervon sind vor allem junge Männer im Alter um 35 Jahre betroffen.

B: Eine aggressive lokalisierte kutane Verlaufsform mit Infiltration in das Weichteilgewebe und die Knochen mit fatalem Ausgang innerhalb von fünf bis sieben Jahren.

C: Ein diffuser mukokutaner Befall und viszeraler Befall und schließlich

D: eine fulminant verlaufende Form mit Lymphadenopathie und Beteilung der viszeralen Organe in der Regel ohne Hautbeteiligung, vor allem auftretend bei Kindern im Kindergartenalter.

3. Das iatrogen- immunsuppressiv bedingte Kaposi-Sarkom

Als Folge einer iatrogenen Immunsuppression, in der Regel in Zusammenhang mit Organtransplantationen, aber auch bei sonstiger Art der Immunsuppression sind Kaposi-Sarkome beschrieben.

Hierbei scheint ein erhöhtes Risiko in bestimmten ethnischen Gruppen zu bestehen, welche ebenfalls ein erhöhtes Risiko für das klassische Kaposi-Sarkom aufweisen.

Obwohl der Verlauf sowohl chronisch als auch schnell progredient sein kann, kommt es in der Regel nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie zu einer Remission.

4. Das epidemische oder Aids-assoziierte Kaposi-Sarkom

Friedmann-Kien et al. beschrieben 1981 fünfzig bis dahin gesunde junge homosexuelle Männer mit Kaposi-Sarkom, wobei Lymphknoten und die viszeralen Organe und Schleimhäute genauso betroffen waren wie die Haut.

Gleichzeitig lagen lebensbedrohliche opportunistische Infektionen vor in Verbindung mit einem massiven Defekt in der T-Zellvermittelten Immunität.

Nur kurze Zeit später wurde diese Erkrankung als erworbenes Immundefektsyndrom (acquired immunodeficiency syndrome- AIDS) beschrieben und als Ursache die HIV-Infektion nachgewiesen.

Obwohl die Inzidenz des Kaposi-Sarkoms als Folge der effektiven antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion mittlerweile deutlich zurückgegangen ist, stellt dieser Tumor nach wie vor das häufigste AIDS-assoziierte Malignom in den USA dar.

Das gleiche gilt für Deutschland, wie eine von Hensel et. al. im Deutschen Ärzteblatt 2011 publizierte Kohortenstudie für den Inzidenzzeitraum von 2000-2007 zeigt.

Insgesamt ist das Risiko für HIV-Patienten an einem Kaposi-Sarkom zu erkranken 20.000-fach erhöht im Vergleich zur Normalbevölkerung und 300-fach erhöht im Vergleich zu anderen immunsupprimierten Patienten.

Bei den verschiedenen HIV-Transmissionsgruppen ist das Risiko ein Kaposi-Sarkom zu entwickeln bei homosexuellen Männern 20-fach höher als bei Patienten mit einer Hämophilie. Bei Frauen tritt das Kaposi-Sarkom selten auf.

Gewöhnlich findet sich bei Erstdiagnose - in der Regel bei bislang nicht antiretroviral behandelten HIV-Infizierten -, ein multilokuläres Geschehen. Die typischen Läsionen können schnell, innerhalb weniger Tage sich entwickeln. Sie beginnen als Makeln in den Hautspaltenlinien und entwickeln sich weiter zu Papeln oder papulösen Tumoren. Vor der HART (hochaktive antiretrovirale Therapie) fanden sich bei vielen Patienten orale Läsionen als Primärmanifestation, aber auch typischerweise am Penis.

Auch wenn die Hautveränderungen für den betroffenen Patienten stark stigmatisierend sind, ist die Organbeteiligung klinisch von noch größerer Bedeutung. Da so gut wie alle Organe, wie der gesamte Gastrointestinaltrakt aber auch das Herz und die Lungen betroffen werden können, kann es schnell zu lebensbedrohlichen Situationen kommen. Selten sind allerdings Beteiligungen des Hirns und der Augen.

Diagnostik und Klinik

Meist symmetrisch an den distalen Extremitäten treten anfangs zunächst indurierte rötlich-braune bis violettrote Makulae oft im Verlauf der Hautspaltlinien auf, die sich in flächenhaft infiltrierte Plaques und harte schmerzhafte Knoten verwandeln. Die Ausbreitung erfolgt proximalwärts, zunehmend disseminiert mit häufiger Beteiligung der Schleimhäute. Spontanregressionen führen zu hämorrhagischen Hyperpigmentierungen, Einblutungen zu periläsionalen Verfärbungen (ockergelbe Purpura). KS können die regionalen Lymphbahnen ummauern, was Ödeme bis hin zu elephantiastischen Anschwellungen im betroffenen Abflussgebiet verursacht. Mechanische Belastungen und Traumen können gerade an den Füßen zum ulzerösen Zerfall führen. Differentialdiagnostisch muss an eine Akroangiodermatitis bei chronischer Veneninsuffizienz, Hämangiome, andere Angiosarkome, eine bazilläre Angiomatose, einen Morbus Gougerot-Blum, Melanommetastasen aber auch an ein Erythema elevatum et diutinum gedacht werden. In Zweifelsfällen sollte eine Exzisionsbiopsie zur histologischen Diagnosesicherung erfolgen.

Auch innere Organe wie Lymphknoten, Gastrointestinaltrakt, Leber, Lunge, Niere und Milz können betroffen sein. Neben der kompletten Inspektion inklusive der Schleimhäute des Patienten dient eine sonographische Erhebung des Lymphknotenstatus, eine Röntgen-Thorax-Untersuchung und eine abdominelle Sonographie der Ausbreitungsdiagnostik. Fallweise sind eine CT-Thorax- und CT-Abdomen-Untersuchung sowie Endoskopien des Gastrointestinaltraktes und der Bronchien zusätzlich erforderlich.

Immer sollte ein HIV-Test durchgeführt werden.

Histologie

Das KS ist ein mesenchymaler Tumor der Blut- und Lymphgefäße. Das histologische Erscheinungsbild des KS ist vielgestaltig und verändert sich mit dem klinischen Verlauf. KS bestehen aus drei Komponenten:

  1. Angiomatöse Phase
  2. Spindelzellige Phase
  3. Entzündliche Phase

Fleck-(Patch-)Stadium

Unmittelbar neben größeren Plexusgefäßen im mittleren und oberen Stratum reticulare der Dermis finden sich beim frühen KS multizentrisch diskrete perivaskuläre Spindelzellproliferationen mit schlitzförmigen Spalten begleitet von lymphoplasmozellulären Infiltraten, extravasalen Erythrozyten, Hämosiderinablagerungen und Siderophagen ('Pseudogranulomatöses Muster'), wobei zunächst Papillarkörper und seine Gefäße ausgespart werden. Daneben können endothelausgekleidete Gefäßspalten mit leeren Lumina dominieren. Adnexen und präexistente vaskuläre Strukturen werden von den neu gebildeten Gefäßspalten und -lakunen halbinselförmig partiell umfasst ('Promontoriumszeichen'). Im Frühstadium des KS sind Mitosen und endotheliale Apoptosen selten, Zell- und Kernatypien fehlen.

Plaquestadium

Auf den Papillarkörper übergreifend durchsetzen Spindelzellen zu kurzen, zellreichen Faszikeln oder Strängen gebündelt das gesamte Korium. Siebartig werden die Spindelzellaggregate durch schlitzförmige erythrozytenreiche Spalten aufgelockert.

In der Tumorperipherie dominieren gestaute mit Erythrozyten angeschoppte, erweiterte serumfreie Gefäße, die wie ausgestopft erscheinen ('stuffing'). Spindelzellapoptosen jedoch keine signifikanten Kernatypien werden beobachtet. Intra- und extrazellulär liegen erythrozytäre Abbaustufen in Form von hyalinen PAS-positiven Globi ('hyaline globules').

Knoten- oder Tumorstadium

Mitosereiche, dicht gepackte, Faktor XIIIa positiv, CD 31+ und CD 34+, faszikulär strukturierte Spindelzelltumore mit eingeschlossenen erythrozytenreichen Spalten, moderaten Kernatypien (Ausnahme mit ausgeprägten Atypien: Anaplastischen äquatorialafrikanische Varianten) werden bei exophytischem Wachstum oft von einer epithelialen Collerette, bei expansiv nodulären Varianten von einer bindegewebigen Pseudokapsel eingefasst. PAS-postive hyaline erythrozytäre Globi und apoptotische Spindelzellen treten gehäuft auf. Ältere Läsionen zeigen neben Hämorrhagien und Eisenspeicherung Nekrosen.

Bei Regression zeigt sich ein plasmazellreiches entzündliches Rundzellinfitrat.

Immunhistologie

Differenzialdiagnostisch hilfreich ist der molekularbiologische Nachweis des KS-Herpesvirus HHV-8.

Stadien- und prognostische Einteilung

Stadien: (n. Mitsuyasu 1986):

I Kutan limitiert (< 10 Herde/ein anatomischer Bereich)
II Kutan disseminiert (< 10 Herde/zwei und mehr anatomische Bereiche)
III Viszeral
IV Kutan und viszeral

TIS-Einteilung nach ACTG, Tumor,  Immunstatus, Systembeteiligung

Günstige Prognose:

T nur Haut/Lymphknotenbefall (minimale Gaumenbeteiligung)
I CD4 > 200/µl
S keine opportunistische Infektion, keine B-Symptomatik und Karnofsky > 70 %

Schlechte Prognose:

T Tumor mit Ödembildung oder Ulzeration, ausgedehnter oraler Befall, innerer Befall ausgenommen Lymphknoten
I CD4 > 200µl
S opportunistische Infektionen, andere AIDS-definierte Erkrankungen, B-Symptomatik oder Karnofsky < 70

Therapie

Beim epidemischen, AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkom führt oft, bei vorher nicht antiretroviral behandelten Patienten die Einleitung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie zum Progressionsstillstand bzw. häufig sogar zum vollständigen Verschwinden der Sarkomherde.

Deswegen sollte spätestens mit Auftreten eines Kaposi-Sarkoms beim HIV-Patienten eine antiretrovirale Therapie eingeleitet werden.

Wird bei bereits antiretroviral therapiertem Patienten ein Kaposi-Sarkom diagnostiziert, sollte die Effektivität der antiretroviralen Therapie überprüft und diese auch mit Hilfe der Resistenztestung optimiert werden.

Bei Neudiagnose eines fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms und gleichzeitiger Neudiagnose einer HIV-Infektion empfehlen wir eine gleichzeitige Einleitung der antiretroviralen und einer systemischen Kaposi-Sarkom-Therapie wie unten beschrieben.

 

Unabhängig von der Verlaufsform sollten fortgeschrittene Kaposi-Sarkome systemisch behandelt werden. In der Vergangenheit wurden hierfür eine Vielzahl von Substanzen eingesetzt. Zu nennen sind Interferon, Vincaalkaloide, Bleomycin und Anthrazykline.

Im Moment besteht die Standardtherapie des Aids-assoziierten bzw. fortgeschrittenen Kaposi-Sarkoms in der Gabe von liposomalem Doxorubicin (Caelyx) in einer Dosis von 20 mg pro m² im Abstand von zwei bis drei Wochen bis zur vollständigen klinischen Remission.

Wie vor jeder Einleitung einer Anthrazyklin-Therapie sollte vorher die kardiale Situation überprüft werden, da zumindest theoretisch ein kardiotoxisches Risiko vorliegt oder aber eine vorbestehende HIV-assoziierte Kardiomyopathie ausgeschlossen werden sollte.

Als Zweitlinientherapie steht das Taxan Paclitaxel zur Verfügung. In der Originalarbeit von Gill et al. wurde eine Dosis von 100 mg/m² alle zwei Wochen eingesetzt. Da sich aber bei anderen Erkrankungen wie dem Mamma-Karzinom mittlerweile die wöchentliche Gabe in reduzierter Dosis als besser verträglich und mindestens genauso effektiv erwiesen hat, kann unseres Erachtens auch beim Kaposi-Sarkom eine wöchentliche Gabe diskutiert werden

(Beim klassischen Kaposi-Sarkom sind oft lokale chirurgische oder medikamentöse Therapiemaßnahmen ausreichend. Ggf. kann auch eine Strahlentherapie eingesetzt werden. Da das klassische Kaposi-Sarkom zu Rezidiven neigt, muß eine regelmäßige Überwachung erfolgen.

Beim iatrogen-immunsuppressiv bedingten Kaposi-Sarkom bilden sich die Tumorherde meistens nach Beendigung der Immunsuppression vollständig zurück.

Das endemische afrikanische Kaposi-Sarkom spricht mit Ausnahme der lymphadenopathischen Verlaufsform in der Regel gut auf systemische Therapiemaßnahmen an.)

Onkopedia Leitlinien:  https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/kaposi-sarkom/@@view/html/index.html