HIVinfo



Der InternetAIDsdienst
von Dr. M. Hartmann und
der Hautklink der Universität Heidelberg

HIV-Leitfaden - HIV-Infektion bei Kindern - Betreuung von HIV1-exponierten Neugeborenen - Adäquate Kreißsaalversorgung

Besondere Kreißsaalversorgung des HIV1-exponierten Neugeborenen

Sowohl während einer Spontangeburt als auch bei einer Sectio kann durch die Eröffnung der Fruchtblase das initial HI-virusfreie Fruchtwasser mit HIV1 kontaminiert werden. Bei Spontangeburt besteht zudem die Möglichkeit, dass HI-virushaltiges Vaginalsekret oder mütterliches Blut in Körperöffnungen des Kindes gelangt. Im Unterschied zum Erwachsenen sind beim Neugeborenen die Schleimhäute des Respirationstraktes und des Gastrointestinaltraktes für HIV1 keine Barriere und der noch anazide Magen kann in der Virusinaktivierung versagen. Die höheren Transmissionsraten gestillter Kinder HIV1-positiver Mütter beweisen, dass der oralen Aufnahme HI-virushaltiger Flüssigkeiten bei der vertikalen Transmission eine erhebliche Bedeutung zukommt.

Praktisches Vorgehen im Kreißsaal:

  • Bei der Erstversorgung des Neugeborenen wird trotz antiretroviraler Therapie der Mutter selbstverständlich die Verwendung steriler Handschuhe empfohlen.
  • Noch vor! dem Absaugen sind Mundhöhle und Naseneingang mit sterilen, in gewärmten, 0,9%-iger NaCl-Lösung getränkten Tupfern von eventuell HIV1-kontaminiertem Fruchtwasser zu reinigen. So wird vermieden, dass beim Absaugen eventuell HI-virushaltiges Fruchtwasser noch tiefer in Respirationstrakt und Gastrointestinaltrakt eingebracht wird.
  • Muss sehr viel Blut aus der Mundhöhle entfernt werden, sollte auch der Mageninhalt mit einem frischen Absaugkatheter komplett abgesaugt werden, um dem Mageninhalt auf eventuell verschlucktes, blutiges Fruchtwasser zu überprüfen und dieses so zu entfernen. Ist der Mageninhalt sehr blutig, so besteht v.a. nachweisbarer HI-Viruslast ein sehr hohes HIV1-Transmissionsrisiko, weswegen eine Prophylaxe mit 3 antiretroviralen Medikamenten empfohlen wird (siehe unten).
  • Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen sind alle Körperöffnungen (Ohren, Augen, Anus und Genitale) in gleicher Weise wie der Naseneingang zu säubern.
  • Vor der endgültigen Versorgung der Nabelschnur sind die Handschuhe zu wechseln, um eine HIV1-Kontamination des Nabelstumpfes zu vermeiden.
  • Wenn möglich sollte Nabelschnurblut für serologische Untersuchungen asserviert werden. Das asservierte Nabelschnurblut kann zur Bestimmung
    - von Antikörpern gegen Hepatitis B und C, zum Lues-Suchtest etc. bei Verdacht auf mütterliche Koinfektionen 
    - ggf. bei Infektionsverdacht zum Nachweis von IgM-Antikörpern gegen diverse Viren, wie EBV, CMV, VZV, HSV, Röteln und Toxoplasmose
    -  bei später diagnostiziertem HIV-positivem Kind zur HIV-Resistenztestung verwendet werden.

Die HIV1-PCR aus Nabelschnurblut ist dagegen zur Diagnose einer kindlichen HIV1-Infektion ungeeignet, da eine Kontamination mit mütterlichem Blut oder Sekret nicht komplett ausgeschlossen werden kann, was ebenso wie transpazentar von der Mutter übertragene, nicht infektiöse Genombruchstücke des HI-Virus zu falsch positiven Ergebnissen der HIV-PCR führen können. Zudem werden bei der Testung des Nabelschnurblutes auf HIV nur die intrauterinen - und nicht die weitaus häufigeren perinatalen HIV-Infektionen des Neugeborenen erfaßt.

Laut Definition ist eine in utero erworbene HIV1-Infektion durch eine positive HIV1-PCR des peripheren Blutes in den ersten 48 Lebensstunden gekennzeichnet. Dieses Ergebnis muss mindestens noch einmal nach der Neonatalzeit bestätigt werden. Da die Mehrheit der vertikal infizierten Kinder intra- oder postnatal infiziert werden, ist die HIV1-PCR nur bei 25-30% der vertikal infizierten Kinder in den ersten zwei Lebenstagen positiv. Bei der derzeitigen Transmissionsrate von unter 1% in Deutschland wären das 0,25-0,3% aller Kinder HIV1-infizierter Mütter.

Bei der peripartal erworbenen HIV1-Infektion ist die HIV1-PCR in den ersten sieben Lebenstagen negativ und wird nach diesem Zeitraum positiv. Bei den kurz vor - oder während der Geburt infizierten Kindern (75-80%) versagt die HIV1-PCR in den ersten Lebenswochen häufig, da die Genomkopien des HI-Virus noch unter der Nachweisgrenze der PCR-Methoden liegen können. Zudem muss wegen der antiretroviralen Therapie während der Schwangerschaft und der antiretroviralen Prophylaxe mit Retrovir® nach Geburt mit einer Hemmung der HI-Virusreplikation beim Neugeborenen gerechnet werden, was den Nachweis zusätzlich erschwert.